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woensdag 22 oktober 2014

Wie bewertet Geisteswissenschaftlich orientierte Medizin Erscheinungen wie die in Konnersreuth? Ita Wegman



Wie bewertet Geisteswissenschaftlich orientierte Medizin
Erscheinungen wie die in Konnersreuth?
Ita Wegman

»Die alle Gemüter jetzt beschäftigenden Tatsachen, die in Konnersreuth geschehen,
veranlassen mich, einen Versuch zu machen aus geisteswissenschaftlich-medizinischen
Gesichtspunkten heraus diese Geschehnisse zu beleuchten. Das wie ein Wunder wirkende
Geschehen mutet einen an wie eine Aufforderung, sich mit übersinnlichen Dingen zu befassen.
Wir müssen erkennen, daß dies wie eine Forderung an uns Herankommende wohl tiefere
Bedeutung haben muß. Und so erinnere ich mich an ein Gespräch, das ich mit Rudolf Steiner
einmal haben konnte, in dem er über das bedeutungsvolle Geschehen sprach, das sich
ereignete durch das geheimnisvolle Auftreten von Kaspar Hauser, das auch damals alle Welt
beschäftigte. Er wies darauf hin, daß das Wesentliche eines solchen rätselhaften Geschehens
gerade darin liege, daß alle Gemüter dadurch gezwungen waren, sich mit einem solchen
durchaus ungewöhnlichen Ereignis zu beschäftigen, das aus dem Alltagsleben nicht zu
verstehen war. Es war ein Versuch der geistigen Welt, die Menschen mitten in der meist
materialistischen Zeit daran zu erinnern, daß es noch etwas anderes gibt, als was das philiströse
Denken sich träumen läßt. Und so treten von Zeit zu Zeit solche wie Wunder wirkende
Geschehnisse auf, die man nur durch ein Wissen von der geistigen Welt verstehen kann, und
die, weil sie so unergründlich sind, alle Menschen beschäftigen und die Menschen wieder an
die Realität des Geistigen erinnern. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es auch notwendig, sich
mit dem Vorgang in Konnersreuth zu beschäftigen. Und um ein richtiges Bild davon zu
erhalten, begab sich einer unserer Mitstreiter, Dr. E. Schickler aus Stuttgart, hin nach
Konnersreuth und schildert nun den Vorgang in der folgenden Art:
»Ein ernstes Schicksal hat die Menschen vor ein großes Rätsel gestellt. Im Fichtelgebirge lebt in
einem einsamen Dorf ein Menschenkind, ein jetzt 29jähriges Mädchen, das die Wundmale der
Passion an sich trägt. Nahezu allwöchentlich an den Freitagen brechen diese Wunden auf, es
entströmt ihnen Blut, das durch die 12 Stunden, von der Mitternacht Donnerstag auf Freitag bis
zum Mittag des Freitag ständig weiter fließt. Der Blutverlust ist sehr groß. Man bestimmt den
Gewichtsverlust auf mehrere Pfund am Tag nach den Ekstasen. Außerdem nimmt sie keine
Nahrung mehr zu sich; schon seit 1926 keine feste Kost mehr, und seit Januar 1927 genießt sie
auch keine flüssige Nahrung. Einzig nimmt sie täglich den 7. bis 8. Teil einer Hostie mit einem
Teelöffel Wasser.
Jede dieser Erscheinungen ist für sich ein Rätsel vor den Menschen, alle zusammen sind noch
unbegreiflicher. Gleichzeitig hat sie Schauungen und erlebte die Leidensgeschichte Christi in
einem Zustand der Entrücktheit, in der sie von der irdischen Umgebung nichts weiß. Öfters
gerät sie außer den Freitagen in Ekstase und hat Erlebnisse mit Wesenheiten aus der geistigen
Welt.
Dies seltsame Geschehen wollte ich mit eigenen Augen sehen und fuhr mit großer Erwartung
dahin. In der Frühe eines Freitags kam ich mit dem ersten Zug nach Arzberg, und man fuhr mit
lauter schweigsam dahin strebenden Menschen im Auto nach Konnersreuth. Die herrliche
Landschaft mit Birkenalleen durch die weichen Hügelwellen nahm uns auf. Die Frische der
Waldluft führte uns weg von der Oberflächlichkeit und Hast des großen Verkehrs, und ich
bereitete mich vor zu einem unbefangenen Verständnis.
In Konnersreuth standen auf dem Marktplatz viele Autos, denn schon viele Besucher waren am
Tage zuvor eingetroffen, um Therese Neumann in ihrem gewöhnlichen Leben kennen zu
lernen. Heute hatten sie sich schon am Pfarrhaus versammelt. Aus der nahen Kirche drang
Gesang, und bald darauf ging Pfarrer Naber, der erste Geistliche des Ortes, vom Meß-Amt zum
Pfarrhof, um den Besuch der vielen Menschen bei der Stigmatisierten in Ordnung gehen zu
lassen. In großer Geduld harrt die Menge, ordnet sich zu Reihen von vier. Man hört keine
lauten Worte. So in der Menge stehend, kommt man sich doch fremd vor. Wunderglaube
umgibt einen und viel unnatürliches, übererwartendes Empfinden. Aber selbst Freigeister
kommen dort mit den ablehnenden Meinungen nicht hervor. Und wo sie es versuchen, sind sie
bald umringt. Der Disput verläuft aber im Sande; das Milieu und die Stimmung des Ortes
gestatten eigentlich nicht, daß sich jede kritischen Meinung äußert.
Seit 1 Uhr in der Nacht haben, wie immer, die Visionen angedauert, beginnend mit der
Schauung der Szenen in Gethsemane. Zwischen den Schauungen sind Pausen, während
derselben ist die Stigmatisierte in einem Zustand großer Schwäche und Überempfindlichkeit;
sie kann da niemand um sich ertragen als die Angehörigen und ihren Beichtvater, den Pfarrer
Naber Da wird auch die Tür zu ihrem Zimmer geschlossen. So war es auch jetzt. Zur Zeit des
Hingenommenseins von den Visionen hat aber Therese Neumann kein Empfinden von ihrer
Umgebung. Da treten dann die Gäste in Konnersreuth an das Zimmer, wo Therese Neumann
liegt, und blicken mit Seelenregungen aller Nuancierungen durch die Tür. Langsam rückt die
Reihe vor. Die Schauungen verlaufen so regelmäßig, daß man im Warten mitverfolgen kann, an
welcher Stelle in der Reihe der Stationen die Schauung angekommen ist. Der Anblick, den wir
zu erwarten haben, verändert sich ja auch dementsprechend von Stunde zu Stunde. Man
erzählt sich während des Wartens davon, und auch von dem Leben von Therese Neumann, das
sie jetzt führt. Eine große Rolle spielen da die Wunderheilungen, die durch die Fürsprache der
Stigmatisierten geschehen. >Vor drei Wochen hat ein Kind wieder reden können, für das
Therese Fürsprache eingelegt hat.< Eine Fülle Bittschriften kommen an, liegen auf dem Stuhl
hinter dem Hochaltar, den Therese einnimmt bei der Messe, und wo sie täglich kommuniziert,
oder werden dem zugesteckt.
Es ist recht merkwürdig zu sehen, wie die Menschen dort über diese Schwelle treten. Manche
sind ganz benommen, zum Teil mit persönlichen Wünschen erfüllt, manche sind nur neugierig,
vielen kann man aber anspüren, daß sie richtig Angst haben, Seelennot vor dem
Unbegreiflichen.
Der Anblick ist tief erschütternd wegen des Leides, für dessen Erleben der Körper der
Stigmatisierten ein Spiegel ist, wie es ihn sonst nicht gibt. Aufgerichtet im Bett sitzt ein
Mädchen, es hält die Arme nach vorne empor, hat den Blick der geschlossenen Augen wie
nach vorne gerichtet. Lauscht angestrengt in derselben Richtung. Das Gesicht ist
blutüberströmt. Auf beiden Seiten rinnt aus den Augen Blut. Die Steifen ziehen über das
Gesicht und den Hals und verschwinden unter dem weißen Linnen. Der Mund ist halb
geöffnet. Zeitweise bewegen sich die Lippen wie zum Sprechen; man hört keinen Laut.
Manchmal ringt sie die Hände in tiefem Mitleid. Die Bewegungen des Kopfes, der Mimik und
der Hände sind matt, wie traumhaft nachschaffend, aber von großer Ausdrucksfähigkeit, gar
nicht krampfhaft oder heftig, sondern ungemein leidvoll. Sie wendet mehrmals den Kopf und
Körper nach verschiedenen Seiten. An den Händen sind die Wundmale der Kreuzigung zu
sehen. Sie bluten. Um den Kopf ist ein Tuch gelegt.
Um diese Zeit, wo in den Passionen sich die Dornenkrönung schon ereignet hat, bluten am
Kopf 8 Wunden. Das zeichnet sich an dem weißen Tuch ab, welches das Blut aufsaugt.
Da ist die Schauung wieder zu Ende. Die Erschöpfte legt sich wieder in die Kissen zurück, sehr
vorsichtig den Kopf und die Hände auf die Kissen legend. Recht kurz nur kann man so in der
Reihe der Vielen beobachten. Ich hatte die Möglichkeit bekommen, später noch durch längere
Zeit während der Höhe der Passionserlebnisse Zeuge der Ereignisse zu sein. Da konnte ich den
Eindruck noch vertiefen. Entsprechend dem Fortschreiten der Schauung waren Veränderungen
an der Kranken zu beobachten. Das Bluten hatte zugenommen (einen entsprechenden Geruch
konnte ich nicht wahrnehmen). Der Ausdruck des Schmerzes war viel stärker, die Augenbrauen
standen gegen die Stirn steil nach oben. Der Körper spiegelte in den Bewegungen den Schmerz,
und es war, wie wenn er nachahmte alle Bewegungen des Gekreuzigten aus der Schauung. Die
Finger der jetzt hocherhobenen Hand bewegten sich in einer Art, wie sie Grünewald an seinem
Gemälde der Kreuzigung festgehalten hat. Der Kopf begleitet die Wendung des Gekreuzigten
zum rechten und linken Schächer. Die Lippen bewegen sich mit beim Sprechen des Kruzifixus.
Pausen zwischen den Schauungen treten jetzt kaum mehr ein. Sie erscheinen ganz in Bildern
lebend.
Dann sah ich wieder später die völlig Erschöpfte nach der Ekstase in den Kissen liegen. Der
Ausdruck des Gesichts ist gelöst von der Marter. Das Bluten hört auf. Sie liegt völlig ruhig. Wie
sie selber davon nachher erzählen kann, ist sie dabei nicht bewusstlos. Das Gesicht ist dabei
nicht individuell geprägt. Es trägt keine Furchen.
Diese Wendung zur Erholung hin trifft den Unbefangenen eigentlich völlig unerwartet. Den
tatsächlichen Tod würde man viel besser begreifen. Aber sie erlebt eine Rekonvalescenz.
Nachher fand ich vor dem Hause und im Dorf viele Gruppen. Meist waren sie um Priester
versammelt und besprachen sich. Ein Zweifel an der Echtheit besteht nicht mehr. Wenn
Therese Neumann aus den Visionen sich an Worte erinnert, die sie nicht kennt, wenn sie diese
nachspricht, ohne den Sinn zu begreifen, wenn sie diese als Worte der Apostel bezeichnen
kann, und ein Gelehrter sie als aramäische Worte erkennt und den Dialekt des Petrus von dem
der anderen unterscheiden kann, - das überzeugt. Die Ekstase selber haben zu viele gesehen,
das Bluten, die Mühe des Aufnehmens der Hostie viele mitgemacht. Die Überwachung wegen
der Ernährung war zu streng, als daß sie heimlich hätte essen können. Einen Zweifel an der
Echtheit hat keiner, der dort war.
In vielen dieser Gruppen herrschte damals große Verwunderung über das Experiment eines
Arztes der Untersuchungskommission: er hatte eine Bogenlampe von mehr als tausend Kerzen
Helligkeit (nach der Münchner Zeitung) der Stigmatisierten in der Ekstase vor die Augen
gehalten. Sie hatte, wie manchmal, die Augen geöffnet – jeder normale Mensch muß daran
erblinden oder schweren Schaden nehmen, ihr ist nichts geschehen. Man frägt sich: Wollte
man etwa die Entlarvung eines Betruges einer Hysterischen durch eine Blendung bewirken?
Oder wenn man annahm, daß kein Schaden geschieht, wozu sollte der Versuch dann
überhaupt dienen?
Ein stiller Triumph lebte in den Worten: man kann’s nicht erklären. Ich empfand auch so etwas
wie eine Drohung darin. Eine Wissenschaft, die auch sonst nichts über das Leben der geistigen
Welt aussagen will, weil sie mit ihren Methoden dort nicht forschen kann, soll nichts erklären
wollen. Wer die Stigmen und körperlichen Erscheinungen rein materialistisch erklären will und
etwa mit Hypnose oder Suggestion Vergleiche zieht, der verkennt die Realität der Schauung
dieser Stigmatisierten (s. Zitate aus der Schauung).
Leicht ist es, wenn es auch wahr ist, zu sagen, das Mädchen sei krank. Dieser Gedanke wird für
das Empfinden erst erträglich, wenn man eine Erklärung findet, die mit derselben Methode
sowohl der Schauung Anerkennung verschaffen kann vor dem modernen Bewußtsein, als auch
die leiblichen Erscheinungen damit in Verbindung bringen kann.
Man kann durch das Mitempfinden verstehen, daß solch ein Ereignis nur am Ende einer Reihe
von vorbereitenden Erlebnissen stehen kann. Auf einmal und plötzlich vor diesen Inhalt
gerückt, um ihn mitzutragen – jeder müßte sterben. Diesem Mädchen bleibt das Leben
erhalten.
Erst langsam lösen sich die Gruppen auf, manche wandern noch einzeln in die Umgebung
hinaus, und die Wirtschaften sind jetzt dicht besetzt. Vorher haben wohl die meisten noch die
Kirche besucht. Ratlose, Erschütterte, Bescheidene suchen doch irgendwie eine Ergänzung zu
dem Gesehenen. Viele drängen sich an den Verkaufsständen, um die Broschüren und die
Bilder und Photos mitzunehmen. Da begegnet man dann auch mit peinlicher Empfindung der
Geschäftstüchtigkeit. Die Versuchung ist ja auch groß, den Fremdenstrom auszunutzen; man
hat ihr nicht widerstanden.
Die Arbeit im Dorf geht an diesem Tag weiter. Wenn auch viele Leute herumstehen, so konnte
man doch schmieden und zimmern sehen.
Nach dem ereignisreichen Tag bringen die Autos die Besucher wieder zu den Stationen zurück.
Die wenigsten raten die Rätsel des Tages. Viele werden Unverstandenes von dort erzählen. Es
entspinnt sich auch immer deutlicher ein Kampf zwischen den Ärzten, die Therese Neumann
geradezu für sich fordern, und der Empfindung weiter Kreise, die dem Wunder nachhängen.«
Soweit der Bericht von Dr. Schickler.
Wir wollen nun versuchen, aus geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen heraus diese uns
entgegentretenden Erscheinungen zu beleuchten.
Das Wunderbare der Erscheinungen von Konnersreuth besteht für den modernen
Naturwissenschaftler darin, daß ohne physische Nahrungsaufnahme und unter fortwährendem
hohen Blutverlust das physische Leben fortbesteht. Beim normalen Menschen ist die
Blutbildung das Ende des Nahrungsprozesses und wird dazu verwendet, den Menschen
aufzubauen. Die gewöhnliche Art der Ernährung besteht darinnen, daß die in die
Verdauungsorgane gebrachten Stoffe bis zur Aufnahme durch die Darmwand soweit verarbeitet
werden, daß sie noch den äußeren physischen Prozessen nahe stehen. Dann gehen sie über in
einen Homöopathisierungsprozeß. Während im Verdauungskanal die Nahrung durch Druck
vorwärts geschoben wird, ist die Chylus-Lymphbildung jenseits der Darmwand ein Saugprozeß.
Hier ist die Stelle, wo die physischen Erdenprozesse von den ätherischen Universalkräften, die
auch im Menschen wirken, ergriffen werden, hier beginnt die Bereitung dessen, was nicht mehr
Bestandteil der Außenwelt ist, sondern Bestandteil der Innenorganisation des Menschen wird.
Diese so gebildete Lymphe ergießt sich in das venöse Blut, das heißt in den kohlensäurereichen
Teil des Blutes, so daß dasjenige, was die Ausscheidungsprodukte der Organe enthält, das
venöse Blut, und dasjenige, was den Körper aufbaut, die Lymphe, vereinigt werden. Dieses Blut
wird durch die Lungen getrieben, und hier wird durch die Ausatmung die Kohlensäure
abgeschieden. Durch die Einatmung wird der Sauerstoff und Stickstoff mit dem venösen Blut, in
das sich die Lymphe ergossen hat, zusammengeführt. Mit dem Einschlagen des Sauerstoffs wird
das venöse Blut regeneriert, und mit Hilfe des einströmenden Stickstoffs greift der Astralleib
aktiv in den Einatmungsprozeß ein.
Im weiteren Kreislauf des Blutes durch die Organe beginnt dann eine ganz andere Saugwirkung
als an der Darmwand, die zur Lymphbildung geführt hat. Sie ist viel differenzierter, denn jedes
Organ saugt in seiner Weise das aus dem Blut, was es zum Aufbau nötig hat.
So ist der normale Verdauungsprozeß. Dieser ist nun wesentlich modifiziert bei der
Stigmatisierten, Therese Neumann in Konnersreuth. Eine Lymphbildung aus aufgenommenen
irdischen Nahrungsstoffen erfolgt bei ihr nicht. Denn als physische Nahrung kommt das
Stückchen Hostie, das verzehrt wird, kaum in Betracht. Trotzdem erfolgt die Blutbildung.
Der Darm ist leer von Nahrungssäften. Der physische Teil der Ernährung ist ausgeschaltet. So
können sich auch die Lymphgefäße nicht füllen aus dem Ernährungsstrom. Darum muß auch
der weitere Teil der Ernährung, die Lymphbildung, in die das Ätherische des Menschen
eingreifen kann, und die auch vermittels des Ätherischen stattfindet, ausgeschaltet sein.
Also muß bei der Blutbildung der Stigmatisierten etwas anderes eine Rolle spielen. Das
geschieht durch die Atmung und durch das, was sich als verfeinerter Atmungsprozeß an diese
anschließt, Prozesse, die in diesem Fall eine ausschlaggebende Rolle spielen. Die Kräfte zur
Blutbildung werden ihr nicht wie gewöhnlich gegeben aus physischer Nahrung, müssen ihr
also aus dem Makrokosmos zufließen.
Und so müssen wir an dieser Stelle versuchen, aus dem, was geisteswissenschaftliche
Forschung Rudolf Steiners uns gegeben hat, zu erklären, in welcher Weise Atmung, Zirkulation
und Sinnesprozesse mit dem Geistigen zusammenhängen, und wie das Geistige auch zum
Aufbau des Körpers dienen kann. Es wird uns da gelehrt, daß der Einatmungsprozeß etwas ganz
Aktives ist, daß in dem Sauerstoff, den der Mensch mit der Atmung in sich hineinnimmt,
kosmische Gestaltungskräfte sich befinden, mit deren Hilfe er immer wieder neu sein eigenes
Wesen aufbaut. Diese Atmung ist diejenige, die wir unter der gewöhnlichen Atmung verstehen,
sie spielt sich im Luftelement ab. Im Haupte aber, durch die Sinnesorgane, entsteht noch ein
zweiter, verfeinerter Atmungsprozeß, der sich also nicht im Luftelement, sondern im
Wärmeelement abspielt. Es wird Wärme aus dem Makrokosmos, der Wärmeäther, und mit ihm
Licht-, chemischer und Lebensäther aufgenommen. Hier entsteht aber keine Ausatmung nach
außen, sondern diese Ätherarten strömen in den Körper hinein: wobei der Lichtäther sich mit
dem Nerven-Sinnesleben verbindet, wodurch das Denken möglich gemacht wird, der
chemische Äther mit den Vorgängen der Luftatmung und der arteriellen Zirkulation, wodurch
die Gefühle in dem Blut eine physische Ausdrucksmöglichkeit bekommen, und der Lebensäther
mit den Prozessen der venösen Zirkulation und des Stoffwechsels, worin das Wollen des
Menschen seine Grundlage findet.
Diese Seelenkräfte kommen als individuelle bei Therese Neumann mehr oder weniger nicht zur
Entfaltung, es wird ihr ein ihr fremdes Denken, Fühlen und Wollen eingestülpt. Und die Kräfte,
die sonst dem individuellen Seelenleben als Grundlage dienen, können bei ihr mehr zum
Aufbau des Organismus gebraucht werden. Und es liegt nahe, in diesem Fall, wo die physische
Nahrung aussetzt, in diesen aus dem Kosmos zufließenden Kräften diejenigen zu sehen, die
den Körper ernähren und aufbauen.
Die physische Ernährung ist notwendig, um den Menschen mit den Erdenstoffen zu verbinden,
zum richtigen Erdenmenschen zu machen; und es muß Blut, das sich bildet, obwohl keine
physische Ernährung stattfindet, andere Eigenschaften haben als die gewöhnlichen. Es hat nicht
die Erdentiefenkräfte in sich, ist aber auch frei von menschlichen Emotionen, es ist
gleichzustellen dem Pflanzensaft, der von der Pflanze gebildet wird, müßte also sauerstoffarm
und kohlensäurereich sein.
Nun ist nach physiologischen Untersuchungen bekannt, daß Blut, das nur durch die oberen
Partien des Organismus fließt, wo ausgeschaltet ist die Zirkulation von Leber und Därmen,
weniger Gerinnungsfähigkeit hat, und diese verminderte Gerinnungsfähigkeit nimmt man ja
auch wahr bei der Blutung der Stigmatisierten. Die Gerinnungsfähigkeit während der Ekstasen
ist geringer, und es verschließt sich die Wunde nicht durch eine Borke. Es muß sich in solchem
Blut also eine Umwandlung vollzogen haben, die gleichzustellen ist den im Pflanzlichen
stattfindenden Prozessen. Es ist unberührt von dem Irdischen, da die Nahrung hier
ausgeschaltet ist und alles das, was mit dem Irdischen zusammenhängt. Und in einem solchen
Fall, wo durch das Blut keine irdischen Einflüsse wirken, kann der ganze Mensch wie eine
Pflanze den kosmischen Einflüssen ausgesetzt sein. Und hier ist es nötig, uns klarzumachen,
wie die Prozesse in der Pflanze sind.
Die Pflanze hat eine doppelte Funktion, es wirken in ihr aufsteigende und absteigende Kräfte,
Saftströme, die entweder zur Blütenbildung, zum Aromatisierungsprozeß führen, oder zur
Wurzelbildung, zum Salzprozeß. Die in der Luft vorhandene Kohlensäure wird von der
Pflanze, von den Blättern, eingeatmet, durch den absteigenden Prozeß zerlegt in Sauerstoff, der
ausgeatmet wird, und in Kohlenstoff, in Kohle, die sich in der Pflanze in Stengel und Wurzel
einlagert als Kohlenhydrat und als kohlensaure Salze, die als Nährstoffe Menschen und Tieren
dienen; der aufsteigende Prozeß führt das Pflanzliche durch die Aromatisierung einem
Tierbildungsprozeß entgegen, ohne daß diesem das Leidenschaftliche, das mit dem Tierischen
zusammenhängt, anhaftet.
Die den Honig suchenden Insekten zeigen, daß dieser Aromatisierungsprozeß ebenso mit der
Zuckerbildung zusammenhängt, wie der andere, der der Kohlensäureprozeß nach der Wurzel
hin mit der Salzbildung. Mit dem von unten nach oben gehenden Prozeß wiederum ist der
Kieselsäure-Bildungsprozeß verbunden. Kohlensäure- und Kieselsäureprozeß sind also einander
entgegengesetzt.
Die Kieselsäureprozesse gestalten im Menschen Nervensystem und Sinnesorgane, die
Kohlensäureprozesse gestalten das Stoffwechselsystem. Zwischen diesen beiden bildet sich das
rhythmische System so, daß die Lunge im Kohlensäureprozeß arbeitet und die Niere im
Kieselsäureprozeß. Die menschliche Natur war ursprünglich weder auf die Lungenatmung,
noch auf die Nierenabsonderung eingerichtet; durch Luftatmung und Nierenprozeß ist der
paradiesische Mensch irdisch geworden. Die Niere reguliert, wie Dr. Steiner sagt, als eine Art
Gehirn des Stoffwechsels den Stoffwechsel. Durch die Kohle gliedert sich uns das Irdische ein
und füllt uns aus.
Eine Polarität zu Atmung und Ernährung bildet das Denken und Wahrnehmen des Menschen.
Im Denken haben wir einen inneren Lichtprozeß, wie wir im Atmen einen inneren Luftprozeß
haben. Im Wahrnehmen gliedert sich das Ätherische dem Menschen ein, wie durch den
Stoffwechsel das Physische. Durch die Nahrungsaufnahme stopft uns das Irdische von innen
aus, durch die Sinnesorgane dehnen wir unser Erleben über eine Stück Außenwelt aus. Die
Außenwelt findet in unserer Organisation ein für sich durchlässiges Gebiet; dieses Durchlässige
ist das Kieselige. In der Außenwelt kennen wir es als Bergkristall, als Quarz, d. h. als eine
lichtdurchlässige Substanz. Im Menschen gibt es ein Gebiet, das, obwohl es materieerfüllt ist,
doch für die kosmischen Entitäten durchlässig ist, das ist die Nerven-Sinnes-Organisation; hier
befindet sich der Kiesel.
Studiert man die Struktur des Nervensystems, so zeigen sich in ihm die Bildekräfte des Kiesels.
So zeigt z. B. der Schachtelhalm, in dem sich Kiesel befindet, eine ähnliche Struktur, wie die
Nervenstränge mit den Nervenknoten.
Wo Nerv ist, da ist Hohlraum für das Geistig-Seelische. Durch den Siliciumprozeß sind wir mit
kosmischer Realität erfüllt, wie wir durch den Kohlenstoffprozeß mit irdischer Realität erfüllt
sind.
Das Blut enthält in sich die Erdensubstanz, die durch Darmwand und Lymphe ihm zugeströmt
ist. Es enthält aber auch das Kosmisch-Ätherische, das durch Sinne und Nervensystem
eingeströmt ist.
Bei der Entwicklung zur übersinnlichen Erkenntnis hat eine Umwandlung des Blutes
stattgefunden. Das rote Blut, das der Träger der Triebe und Leidenschaften ist, in dem aber
auch das Leben wirkt, muß gereinigt und geläutert werden muß so keusch und rein, so
leidenschaftslos werden, wie der Saftstrom der Pflanze.
Das bedeutet, daß jetzt mehr der Kohlensäureprozeß der Pflanze im menschlichen roten Blut
stattfinden muß - die entstehende Kohlensäure wird dann nicht vollständig ausgeatmet werden,
sondern im Blute zurückgehalten, - was auch geschehen kann durch eine rhythmische
Atmungsart-, wodurch dann der Mensch aus der Kohlensäure, die sonst den Tod bedeutet für
ihn, den Kohlenstoff weiterverarbeitet, so wie die Pflanze es tut. Aus dem Tod entsteht dann das
Leben. Das Blut muß wie die Pflanze aromatisch werden; es muß durch die Verarbeitung von
Kohlenstoff in Zucker diesen Zucker, nämlich Traubenzucker, in sich enthalten, um Träger des
höheren Ich zu werden. Es gehen im Menschen nach oben Salzprozesse, nach unten der
Aromatisierungsprozeß, der Zucker, umgekehrt wie es in der Pflanze vor sich geht. Nun hat der
Mensch, der in einer höheren Entwicklung steht, seinen Leib aus Kohlenstoff im Innern
aufzubauen, ähnlich wie die Pflanze. Er kommt allmählich dahin, seinen physischen Leib aus
der in ihm gebliebenen oder selbst gebildeten Kohlensäure zu gestalten. Er kann unabhängig
werden von der irdischen Nahrung, was in der fernen Erdenentwicklung als Zukunftsbild liegt,
weil er die Fähigkeit in sich errungen hat, so wie die Pflanze sich aufzubauen.
Dies ist aber für die jetzt bestehenden Erdenverhältnisse, in die der Mensch hineingestellt ist,
und in denen er seine Aufgaben zu erfüllen hat, nicht möglich. Von der äußeren Ernährung
ganz unabhängig werden zu wollen, ist eine starke Versuchung, - deshalb eine Versuchung,
weil, wenn der Mensch so leibfrei geworden ist, er nicht leicht sich entschließen kann, in
diesen Leib wieder hineinzugehen. Aber er muß sich dazu entschließen, will er den richtigen,
den normalen Weg gehen; er darf sich nicht genügen lassen, den Wunderbau dieser
Leiblichkeit im innern Anschauen zu erleben; er muß den Entschluß fassen durch die Organe
dieses Leibes hindurch die Außenwelt erleben zu wollen, um in ihr ein werktätiges Leben zu
führen.
So könnte es bei einer normal vor sich gehenden geistigen Entwicklung sein, wo bewußt die
Schulung vorgenommen worden ist.
Wie steht es nun mit Therese Neumann?
Sie ist, wie gesagt, wie eine Pflanze den kosmischen Einflüssen ausgesetzt; ohne bewußte
Schulung kommt sie zum Geisterleben.
Diese kosmische Wirksamkeit äußert sich bei ihr in der Wahrnehmung eines außer ihr
Befindlichen, das ihr als Visionen erscheint. Die Visionen kommen so zustande, daß die
Sinnesorgane während der Ekstase nicht dazu dienen, Sinneseindrücke aufzunehmen und
Ätherisches auszuströmen, wie das bei normalen Menschen der Fall ist – denn in der Bildung
der Komplementärfarben strömt zum Beispiel Ätherisches durch das Auge aus -; es entsteht
nicht Ton, nicht Licht etc., sondern es entsteht eine Vision. Die Ekstase ist ein Zustand, in dem
der Ätherleib, der sonst die Sinneseindrücke bildet, durch das Tor der Sinne austritt aus dem
Zusammenhang mit dem physischen Leib. Und es können ihm in diesem leibfreien Zustand
aufgeprägt werden die Bilder, die im Astrallichte des Kosmos eingeschrieben sind. Wir wissen
aus der Geisteswissenschaft, daß in diese allerfeinste Substanz, die Astralsubstanz, alles
eingeprägt wird, was geschieht. Bei der Stigmatisierten, die sich ganz vertieft hat in den
Passionsweg Christi, werden nun gerade diese Bilder dem freien Ätherleib eingeprägt, die sie so
schauen und miterleben kann. Und durch die Kraft ihres Empfindungslebens, mit der sie in
diesen Visionen lebt, werden diese Vorgänge bis in ihren physischen Leib hinein eingeprägt.
Beim Nacherleben der Kreuzigung, des Passionsweges entstehen bis in ihren physischen Leib
hinein die Wundmale. Und aus diesen Wundmalen wird dann durch das Makrokosmische, das
hier angeschaltet ist, wie vorher beschrieben, das Blut angesaugt und zum Austritt gebracht.
Nun taucht die Frage auf, wodurch es denn dazu kommt, daß sich der Ätherleib aus seinem
Verband mit dem physischen Leib so, ohne bewußte Schulung, lösen kann. In diesem
speziellen Fall, wo wir uns mit den Erscheinungen bei Therese Neumann beschäftigen, müssen
wir, um das zu verstehen, noch eingehend ihr bisheriges Leben uns anschauen. Da spielt die
Krankheitsgeschichte, die von ihr bekannt ist, eine wesentliche Rolle, in der berichtet wird, das
Therese Neumann im 19. Lebensjahr, gelegentlich eines Brandes, einen Schock erlitten hat.
Dieses hatte zuerst Schmerz und Krämpfe der unteren Gliedmaßen zur Folge. Später erfolgte
die Erblindung, dann trat die Lähmung der Beine auf, zuletzt Taubheit und
Ernährungsbehinderung. Wichtig ist, daß dies alles begann vor ihrem 21. Lebensjahr, in
welchem die Ichtätigkeit voll in den Organismus einzugreifen pflegt. Die Erscheinungen zeigen,
daß das Ich aus der Sinnes- und Bewegungsorganisation weitgehend ausgeschaltet ist. Dies
könnte man als Anfangsstadium bezeichnen.
Von diesem Augenblicke an war Therese Neumann ein Mensch, bei dem das Ich weitgehend
aus dem Leibeszusammenhang gelöst war. Allmählich wurde auch der Astralleib nachgezogen,
was sich ausdrückt in der veränderten Art des Schmerzerlebnisses. Damit trat sie ein in ein
weiteres Stadium, in dem sie die geistige Welt als Realität erblickte. In dies Stadium tritt sie 7
Jahre nach dem Schock ein, sie beschreibt am 17. Mai 1925 dies folgendermaßen. Sie sieht ein
Licht, und aus diesem Licht hört sie eine Stimme. Diese Stimme spricht unter anderem: »Aber
leiden darfst Du schon noch viel und lang und kein Arzt kann Dir helfen. Aber fürchte Dich
nicht. Ich habe dir bisher geholfen und werde dir weiter helfen. Nur durch Leiden kannst du
deine Gesinnung und deinen Opferberuf am besten auswirken und dadurch die Priester
unterstützen. Durch Leiden werden weit mehr Seelen gerettet als durch die glänzendsten
Predigten. Ich habe es früher schon geschrieben.«
Andern Tages fand man diesen Satz in den Schriften der heiligen Therese vom Kinde Jesu, die
die Stigmatisierte schon lange verehrt.
Im Jahre 1926, in der Fastenzeit, tritt wiederum etwas Neues auf, da beginnen die Schauungen
der Passion. Damit sind wir auch an den Zeitpunkt angekommen, wo physiologisch die
Lockerung des Ätherleibes sich vollzogen hat. Sie empfindet jetzt nicht mehr die Schmerzen
ihrer Krankheit, sondern es wird jetzt der Schmerz unpersönlich erlebt, sie macht die
Schmerzerlebnisse der Passion mit. Und in diesen Schmerz dringt, wie man aus den ganzen
Beobachtungen, die man gemacht hat, erfahren kann, die geistige Welt ein. In großen
Schmerzen erlebt sie die Vorgänge der Passion mit, und schildert dabei den Inhalt der
Schauungen unter anderem wie folgt:
»Das erste, was ich immer sehe, ist Christus im Garten am Ölberge. Ich sehe ihn mit drei
Jüngern. Die Haltung und das Benehmen Jesu ist sehr bewegt. Jesus kniet bald nieder. Nach
einiger Zeit steht er wieder auf. Er ringt die Hände, blickt dann wieder und wieder zum
Himmel. « …
»Beim zweiten Gebete ist es Jesus am härtesten. Ich sehe in seinem Gesicht zunächst rote
Tröpflein zum Vorschein kommen, auf einmal fängt das Blut zu rinnen an.« …
»Den unglückseligen Judas habe ich nur einmal gesehen. Die Soldaten, welche Jesus gefangen
nehmen, haben an den Schultern und die Brust herunter etwas Steifes. Sie tragen kurze Röcke,
die bis zu den Knien reichen. Bei einigen sind die Röcke unten mit einem goldenen Saum
besetzt.« …
»Mit einem Male ist die Schauung zu Ende. Dann denke ich wieder über das nach, was ich
gesehen habe.« …
»Plötzlich sehe ich die Dornenkrönung. Der Ort ist ein an der Seite offener Säulengang mit
runden Bögen, so wie eine Halle, draußen vor dem Säulengang ist aber der freie Himmel
sichtbar. In diesem Säulengang bringen sie jetzt den Heiland daher von der Geißelung. Seine
eigene Kleider hat man ihm noch nicht wieder zurückgegeben. Er ist nur in einen roten Mantel
ohne Ärmel gehüllt, der aussieht wie ein Überwurf. Die Männer, die ihn führen, sind wieder
solche, wie bei der Gefangennehmung.«
Über die Schauungen sagt sie selbst:
»Wenn die Schauung immer beginnt, sehe ich den lieben Heiland plötzlich, so wie ein Blitz
aufleuchtet. Jeder einzelne Vorgang beschäftigt mich so vollständig, daß ich dabei nicht denken
kann, es käme noch mehr oder ich hätte es schon bei einer früheren Schauung gesehen, oder
ich hätte das alles in der Hauptsache schon längst in der biblischen Geschichte gelernt. Alles ist
mir jedesmal neu wie zum ersten Mal.
Es ist nicht hier der Platz, auf den Inhalt der Schauung einzugehen, es sollte nur gezeigt
werden, wie objektives Weltgeschehen sich in persönlichen Schmerzerlebnissen
hineinschieben kann.
Man könnte fragen, handelt es sich in dem Falle von Konnersreuth um ein Wunder? Nicht in
dem Sinne, daß die Naturgesetze durchbrochen werden, es wird nur durch eine Reihe von
schweren Krankheiten und durch die Bejahung des Leides, mit der diese ertragen werden, die
menschliche Organisation in eine solche Verfassung gebracht, daß offenbar werden kann, was
immer in der menschlichen Organisation wirksam ist, nämlich die Einwirkung des
Makrokosmos auf den Menschen. Daher ist der Fall von Konnersreuth auch keine
Angelegenheit eines bestimmten Glaubensbekenntnisses, sondern eine allgemein menschliche.
Wir haben hier nun versucht, eine Erklärung zu geben, wie die Vorgänge bei einer
Stigmatisierten verlaufen können, weil diese Frage durch das Auftreten des Falles von
Konnersreuth akut geworden ist. Daß wohl noch nicht alles berücksichtigt werden konnte, hat
seinen Grund darin, daß ein ausführliches Eingehen auf alle Einzelheiten zu weit führen würde.
Aber es bleibt uns jetzt noch die Frage zu beantworten, inwieweit eine solche Entwicklung
richtig in unserer Zeit darinnensteht.
Und da läßt sich sagen: Dasjenige, was bei Therese Neumann eingetreten ist, ist wohl ein
geistiger Vorgang, aber es kommt in ihrem Fall doch sehr stark zum Vorschein, daß sie passiv in
diesen Geschehnissen drinnensteht, und daß die Erlebnisse Stufe für Stufe verlaufen ohne eine
Aktivität von ihr selbst. Ihre Ichorganisation wurde durch ein Schockerlebnis aus dem
physischen Leib gelöst, nicht durch eine bewußte Schulung. Auch alle weiteren Stufen gehen
nicht aus von der bewußten Tätigkeit des Ich, sondern es geschieht mit ihr diese weitere
Entwicklung. Und wir können annehmen, daß es wohl die hl. Therese vom Kinde Jesu ist, die
in ihr wirkt, wie es ja aus den Darstellungen ihrer Erlebnisse hervorgeht. Dies hat gleichzeitig
aber die Möglichkeit in sich, das auch andere, es weniger gut meinende Wesenheiten in ihr
wirken können, wogegen sie allerdings in ihrem Fall geschützt ist durch ihre große
Frömmigkeit, Gläubigkeit und ihre Fähigkeit, Schmerz zu ertragen.
Es macht aber diese Art des Eindringens der geistigen Welt den Menschen nicht tüchtig,
sondern erdenfremd und nicht geeignet für irdisches Wirken. Im Sinne der jetzigen Zeitführung
liegt dies nicht. Sie fordert eine geistige Entwicklung, die den Menschen in seiner Gesamtheit
berücksichtigt und ihn nicht aus dem sozialen Leben herausführt; es könnten wohl auch
gleiche Erlebnisse wie die bisher beschriebenen erfolgen, ohne daß es dabei aber zu den
krankhaften Erscheinungen kommt, wie wir sie hier doch konstatieren müssen. Es liegt z. B.
schon in den sich immer wiederholenden gleichen Erlebnissen, die von ihr nicht bewußt
herbeigeführt und auch nicht verhindert werden können, worin sich auch das Passive des
Vorganges zeigt, das Krankhafte, so wie auch das Gefährliche ihres Zustandes, das sie auch in
Lebensgefahr bringen kann.
Daß die Wundmale bis in den physischen Leib sichtbar auftreten und nicht nur als Sensation
empfunden werden, liegt daran, daß der physische Leib erdenfremd geworden ist, zugleich
aber doch eine große Anziehungskraft hat zu dem Geistigen, wie es in einer richtigen
Geistesschulung auch entstehen muß. Krankheit ist aber hier die Unfähigkeit, einen Ausgleich
zu schaffen zwischen geistigem Geschehen und irdischer Auswirkung, was damit zu erklären
ist, daß das Geistig-Seelische nicht in der richtigen Art eine systematische Schulung
durchgemach hat.
So kann dies Ereignis in Konnersreuth nur die Bedeutung haben eines außerordentlichen,
interessanten Hinweises auf die Realität geistiger Wirksamkeit. Es ist nicht ein nachzufolgender
Weg, der etwa aus einer gesunden geistigen Entwickelung heraus betreten werden soll.
Bewußt und willentlich, unter vollständiger Beherrschung aller auftretenden Erscheinungen,
muß der Weg in die geistige Welt heute gegangen werden. Dazu gibt die Anthroposophie
Rudolf Steiners die nötigen Anleitungen.«
(Ita Wegman, ‚Im Anbruch des Wirkens für eine Erweiterung der Heilkunst nach
geisteswissenschaftlicher Menschenkunde’, Jahrgang II, Heft 3/4, September/Oktober 1927,
Natura-Verlag, Arlesheim/Schweiz 1956)
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