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vrijdag 9 mei 2014

Antwort auf: Jacob Boveri, Die Stigmatisierte Anna Katharina Emmerick


Antwort auf:
Jacob Boveri,
Die Stigmatisierte Anna Katharina Emmerick
im Lichte der anthroposophischen Geisteswissenschaft
Rudolf Steiners
in: ‹Ein Nachrichtenblatt› Nr. 8 vom 27. April 2014
Hildegard Backhaus Vink, Arlesheim
Jacob Boveri stellt in seiner Darstellung die Stigmatisierten Anna Katharina Emmerick, Therese Neumann und Judith von Halle ohne Differenzierung nebeneinander und behauptet, ihre „Visionen“ seien „leibgebunden“und widersprächen der Geisteswissenschaft Rudolf Steines. Er kommt zu dem Schluss, dass „unser Augenmerk heute [Persönlichkeiten] gelten [sollte][...],die in der Gegenwart innerhalb unserer anthroposophischen Gemeinschaft wirken – Persönlichkeiten, die einen Zugang zur geistigen Welt haben und dadurch Ereignisse wie das Mysterium von Golgatha in Visionen erleben können, welche jedoch versinnlicht leibgebundenen Charakter haben, anstatt rein übersinnlich und leibfrei zu verlaufen. Die Anthroposophie braucht wache, mutige Seelen, die bereit sind, alles da-für zu tun, dass das wahre Christentum gehütet und in einer lebendig- übersinnlichen Art erfasst und gelehrt wird.“ Damit repetiert er im wesentlichen Aussagen und Argumentationslinien Sergej Prokofieffs, imitiert seinen Stil, Judith von Halle in seiner Schlussfolgerung zu meinen, aber nicht zu nennen (hier hätte ich mir einen Eingriff der Redaktion gewünscht*) und aus dem Zusammenhang gerissene Rudolf-Steiner-Zitate als„Beweis“ für seine Argumentationen anzuführen.Nun sind in den vergangenen Monaten zwei Bücher erschienen,die Jacob Boveri beide nicht nennt: Anna Katharina Emmerick. Eine Rehabilitation (Dornach 2013)von Judith von Halle und: Phantomleib, Stigmatisation und Geistesforschung, Judith von Halle und die anthroposophische Christologie (Dornach 2013) von Helmut Kiene. In diesen beiden Büchern wird u. a. ausführlich beschrieben: 1. dass Anna Katharina Emmerick ihre Geistesschau in ihren Worten beschreibt, die naturgemäss(!) noch nicht die Begriffe der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners beinhalten und 2. dass Judith von Halle eben gerade keine „leibgebundenen, versinnlichten Visionen“ hat, sondern dass das Besondere ihrer Forschung darin besteht, dass sie ihre mitgebrachten Möglichkeiten der Geistesschau mit den auf dem anthroposophischen Schulungswege erworbenen Fähigkeiten und Begrifflichkeiten einer strengen Prüfung und kritischen Analyse unterzieht und mithilfe der Anthroposophie ihre Geistesschau erst deuten kann. Diese zweite Stufe ist für sie die wichtigere und auch in gewissem Sinne die entscheidende. Denn es geht für den Menschen im Bewusstseinszeitalter darum zu verstehen und denkend nachzuvollziehen – und selbstverständlich nicht darum zu glauben. Judith von Halle schreibt im Geleitwort zu ihren Büchern: „Der geistige Mensch kann Intuitionen von diesen kosmischen Tatsachen haben,wenn sich sein Ich jenseits der Schwelle gänzlich aus dem Astralischen herauslöst, sodass er – das heisst sein Ich – in die Objektivität hineinkommt. [...] Es ist eine schwierige und daher höchst verantwortungsvolle Aufgabe für den Menschen, diese objektiven Tatsachen,welche sein Ich jenseits der Schwelle hat aufnehmenkönnen, nun auch in eine wirkliche Erkenntnis zu verwandeln,die ebenso wahrheitsgemäss ist, wie die reine Wahrnehmung zunächst als gegeben vorhanden ist .Immer wieder ist zu überprüfen, ob die geistige Wahrnehmung auch tatsächlich demjenigen Begriff entspricht,dem man sie zuordnet. Erst wenn alle Ergebnisse dieser Prüfung standhalten, darf sich der Schüler der Geisteswissenschaft berechtigt fühlen, diese seine Ergebnisse als Geist-Erkenntnisse weiterzugeben. Viele Menschen haben heute geistige Wahrnehmungen [...],zum Beispiel auf der ätherischen oder astralischen Ebene.Doch bleiben diese Wahrnehmungen nutzlos oder sind nicht selten sogar Auslöser für eine grosse Verwirrung,wenn sie dem Menschen in ihrem wahrhaften Zusammenhang verhüllt bleiben. Jemand kann beispielsweise Wahrnehmungen von der ätherischen Welt haben,indem er in das Gebiet der Elementarwesen eintaucht.Doch können Aussagen über das Elementarreich nur Bestand haben, können nur dann wirklich objektiv sein, wenn sich der Mensch aus jener Ebene erhebt; da sbedeutet, wenn er nicht ausschliesslich die Erkenntnisebene der Elementarwesen teilt, sondern sich wie um eine Stufe heraufhebt zu einem Betrachtungsstandort,von dem aus er nicht nur von der Beschaffenheit der Elementarwelt berichten kann, sondern Erkenntnisse über die Elementarwelt haben kann. [...] Es ist eine Errungenschaft der Geisteswissenshaft Rudolf Steiners,dass es uns heute möglich ist, unsere Wahrnehmungen mittels eines geschulten, klaren Denkens in wirklichkeitsgetreue Erkenntnisse zu verwandeln. Alle diejenigen Aussagen, die in den folgenden Ausführungen nicht die sinnlichen Vorgänge der Zeitenwende zum Inhalt haben, entspringen der soeben geschilderten Erkenntnisquelle.Sie sind behutsam und mit der entsprechenden Ernsthaftigkeit ausgesprochen und keinesfalls ‚daherspekuliert’.“(J. v. Halle, Der Abstieg in die Erdenschichtenauf dem anthroposophischen Schulungsweg,Dornach 2008, S. 11ff.)Ich habe mich immer gefragt, wie man behaupten kann,dass die Forschungen Judith von Halles leibgebunden seien, wenn sie z. B. den Abstieg des Christus in die Erdschichten beschreibt oder die komplexe Auferweckung des Lazarus, in der Wesensglieder von Johannes dem Täufer, Lazarus und Johannes Zebedäus beteiligt waren (wie sollte man das „sinnlich“ sehen?). Die strenge geisteswissenschaftliche Analyse im Schaffen Judith von Halles wird konsequent übersehen, weil man sich auf das vermeintlich „Spektakuläre“ stürzt: auf die Nahrungslosigkeit, die Stigmatisation und die Wahrnehmungen vergangener Ereignisse. Darum geht es aber letztendlich gar nicht. Es geht um die Erkenntnisse,die Judith von Halle sich mithilfe der anthroposophischen Geisteswissenschaft mühsam und ringend erarbeitetund uns daran teilhaben lässt, damit wir selbe rangeregt werden, mit diesen Fragen umzugehen. Dieses Teilhabenlassen ist entgegen anderer Behauptungen stets freilassend, denn niemand wird gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen.Alle Argumente im Aufsatz von Jacob Boveri fallen vordiesem Hintergrund in sich zusammen. Weder kann man Anna Katharina Emmerick und Therese Neumann vorwerfen, dass sie keine Anthroposophinnen gewese nseien noch kann man die beiden Stigmatisierten anführen,um eigentlich Judith von Halle zu kritisieren, da sie mit jenen aus den o. g. Gründen gar nicht vergleichba rist. Zur der angeblich von Rudolf Steiner so bezeichneten„Somnambulität“ von Anna Katharina Emmerick(von Sergej Prokofieff auf Judith von Halle übertragen,von Jacob Boveri aber nicht wiederholt) lässt sich sagen,dass dieser Vorwurf entkräftigt ist, wenn man –wie Judith von Halle es getan hat –, der handschriftlichen Original-Notiz dieser Aussage in der Nachlassverwaltung nachgeht und feststellt, dass Entscheidendes von Sergej Prokofieff weggelassen wurde: Die handschriftliche Notiz der mutmasslichen Rudolf-Steiner-Aussage lautet: Anna Katharina Emmerick sei „eine ausserordentlich gute Somnambule“ deren Gesichte,„unzweifelhaft ausserordentlich Richtiges“ enthielten (zit. n. J. v. Halle, Anna Katharina Emmerick, a. a. O,S. 24). Deutlich ist hier, dass das Wort „somnambul“völlig wertneutral gemeint ist, dass also „somnambul“in einem Kontext bei Rudolf Steiner eben nicht das gleiche bedeutet wie in einem anderen Kontext. So oft wird darauf hingewiesen, Rudolf Steiners Aussagen situativ zu lesen, auf den Wechsel seiner Bedeutungsnuancen zu achten und die Lebendigkeit seines Denkens nachzuvollziehen – dann sollte man es auch in diesem Falle tun !In den beiden o. g. Büchern sind alle relevanten Fragen für die von Jacob Boveri genannten Themen ausführlich behandelt; sie scheinen aber nicht von ihm gelesen worden zu sein. Ich würde mir wünschen, wir würden innerhalb der anthroposophischen Gemeinschaft mehr unbefangene, vorurteilslose Wahrnehmung und Diskursfähigkeit untereinander üben. Hildegard Backhaus Vink, Arlesheim

* Anmerkung der Redaktion:
Jacob Boveri hat in seinem Beitrag Judith von Halle namentlich
erwähnt (auf Seite 2) und das Zusammentreffen
der Sachfrage (z.B: Auf welche Art und Weise kommt ein
Hellsichtiger zu seinen Erkenntnissen?) mit der Tatsache,
dass es namentlich bestimmte Vertreter der Sachfrage
gibt, nicht verschwiegen. Dies ist aus unserer Sicht vollständig
zureichend für die Orientierung des Lesers. Daher
sahen wir diesbezüglich keinen Grund für einen «redaktionellen
Eingriff». - Dass Jacob Boveri in seinem Statement
am Ende des Beitrags seine sachliche-inhaltliche
Überzeugung äussert ohne persönlich zu werden, halten
wir auf dem Hintergrund unserer o.g. Überlegung, also der
zureichenden Orientierung des Lesers, für eine mögliche
und angemessene Form der Darstellung. Seine Bemühung
um eine sachbezogene Darstellung ist unabhängig von
seiner Stellungnahme dazu und unabhängig von seinem
Urteil in der Sachfrage deutlich wahrnehmbar. Deutlicher
übrigens als in manchen Beiträgen zum Thema, die wir
bereits erhalten, gerade deswegen jedoch nicht veröffentlicht
haben. Auf eine Personalisierung der Sachfragen um
geisteswissenschaftliche Urteilsbildung werden wir uns
auch künftig nicht einlassen. Uns interessiert jedoch der
folgende Zusammenhang. Was ist Geisteswissenschaft, was nicht?
Grundsätzlich darf das Auftreten neuartiger Forschungsrichtungen
begrüsst werden. Judith von Halle, aber auch
andere Persönlichkeiten, haben dazu beigetragen, die unabhängig
von ihrer Person wesentliche Frage ‹Was ist
Geisteswissenschaft, was nicht? – Wie kommt ein Hellsichtiger
zu seinen Erkenntnissen› in aktualisierter Form
anzuschauen. Nun ist es keineswegs verwunderlich, wenn
bei neuartigen Forschungsrichtungen, die sich als Anthroposophie
auffassen und ausgeben, bei Dritten prüfende
Fragen auftreten, ja, dieses Prüfen sollte unseres Erachtens
so intensiv wie nur möglich erfolgen. Dazu dient insbesondere
die Formulierung relevanter Forschungsfragen,
z.B. in erkenntniswissenschaftlicher Hinsicht: Ist in einer
neuartigen Forschungsrichtung Irrtum möglich und wenn
ja, wie? Wie wird bei der Überprüfung eines Zusammenhangs
das Verhältnis von nicht-sinnlicher Wahrnehmung,
Begriff und Wahrheitskriterium gesehen, was wird unter
einer spezifischen Überprüfungstechnik verstanden?
Beiträge, welche die angedeuteten Forschungsfragestellungen
zur Erkenntnisweise (weniger zu deren Produkten),
insbesondere in erkenntniswissenschaftlicher Hinsicht
konkretisieren oder ausarbeiten, wären unseres Erachtens
wesentlich. In den Veröffentlichungen von Judith von Halle
ist, soweit wir dies recherchieren konnten, ihre Erkenntnisart,
bzw. ihre Überprüfungstechnik in Hinweisen umschrieben,
jedoch nicht mit entsprechendem Erfahrungsmaterial
und einer begrifflichen Durchdringung versehen.
Eine Darstellung zur Möglichkeit des Irrtums scheint vollständig
zu fehlen. Auch der aktuellen Publikation dazu
von Helmut Kiene, Phantomleib, Stigmatisation und Geistesforschung
(Dornach 2013) stand ein derartiges Erfahrungsmaterial,
bzw. eine Darstellung der Überprüfungstechnik
nicht zur Verfügung. In der Erarbeitung der angedeuteten
erkenntniswissenschaftlichen Forschungsfragen
zur jeweiligen Erkenntnisart jedoch könnten sich unterschiedlichste
Auffassungen beteiligen.
Roland Tüscher, Kirsten Juel

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